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Schüler, Magdeburg
8. Februar 1997 — 17 Jahre

Der 17-jährige Punk Frank Böttcher wurde am 8. Februar 1997 in der Magdeburger Plattenbausiedlung Neu-Olvenstedt von einem gleichaltrigen Naziskinhead erstochen.

 

Wer war Frank Böttcher?

Ein Jahr vor seinem Tod war Frank Böttcher zu seinem Bruder in eine betreute Wohngemeinschaft in Magdeburg-Stadtfeld gezogen und hatte dort ein berufsvorbereitendes Jahr begonnen. Zuvor hatte er in mehreren Kinderheimen gelebt. Erst wenige Wochen vor der Tat hatte er sich eine Irokesen-Frisur zugelegt und seine Haare rot gefärbt. Sein Bruder Peter Böttcher und seine Freund*innen beschreiben ihn als einen ruhigen Menschen, der nicht einmal einer Fliege etwas zu leide tun konnte.

 

Was ist passiert?

Am Mittag des 7. Februar 1997 war Frank Böttcher von seiner weißen Hausratte „Speedy” in die Hand gebissen worden. Um sich behandeln zu lassen, fuhr er schließlich nach Mitternacht mit der Straßenbahn ins Krankenhaus nach Neu-Olvenstedt. Gegen 2:45 Uhr traf er in der Notfallambulanz ein und erzählte den Krankenschwestern, dass er kurz zuvor in der Bahn von „Glatzen angemacht“ worden sei. Drei Naziskinheads hätten ihn auf der Fahrt angepöbelt und u.a. als „Zecke” beschimpft. Nach der Behandlung verließ Frank Böttcher gegen 3:30 Uhr das Krankenhaus und ging zur circa einhundert Meter entfernten Straßenbahnendhaltestelle „Krankenhaus Olvenstedt“ zurück.

Gegen 4 Uhr morgens fand ihn dort ein jugendlicher Passant in einer Blutlache auf dem Bürgersteig liegend und schwerst verletzt: mit sieben Stichwunden und Schädel-Basisbruch. Frank Böttcher starb nach vergeblichen Wiederbelebungsversuchen gegen 5:30 Uhr morgens auf der Intensivstation des Krankenhauses Neu-Olvenstedt.

Knapp zwei Wochen nach dem Tod von Frank Böttcher verhaftete die Polizei schließlich einen 17-jährigen Naziskin, der sich unmittelbar nach der Tat gegenüber einem Freund mit der Tat gebrüstet und sein blutiges Messer gezeigt hatte.

 

Der Prozess gegen den Täter

Im Juni 1997 verurteilte das Landgericht Magdeburg nach einem viertägigen, nicht-öffentlichen Prozess den minderjährigen Täter nach Jugendstrafrecht wegen Totschlags zu sieben Jahren Jugendhaft. Der Angeklagte war unter anderem wegen Körperverletzungsdelikten polizeibekannt. Er hatte vor Gericht gestanden, Frank Böttcher angegriffen zu haben, weil er sich von ihm provoziert gefühlt habe.

Er sei an der Straßenbahn-Haltestelle zufällig auf Frank Böttcher gestoßen und habe ihn zunächst mit Tritten zu Boden gebracht. Mindestens zehn Mal habe der Angeklagte mit Springerstiefeln kräftig auf den Kopf seines Opfers eingetreten und dann sieben Mal mit seinem Messer in dessen Rücken gestochen, so das Gericht. Ein Gerichtsmediziner stellte fest, dass jede dieser Verletzungen zum Tod des schmächtigen 17-Jährigen geführt hätte.

 

Öffentliches Gedenken

Einen Tag nach der Tat – am 9. Februar 1997- organisierten Freund*innen Frank Böttchers mit Unterstützung von BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN und PDS einen Trauermarsch von der Innenstadt nach Olvenstedt, auf dem sie mit Transparenten wie „Von Nazis ermordet!“ und einem daneben befestigten Portrait Frank Böttchers ihre Gewissheit zum Hintergrund der Tat öffentlich machten. Zudem erinnerten sie mit einer tagelangen Mahnwache am Tatort an den 17-Jährigen. Am 22. Februar 1997 demonstrierten in der Magdeburger Innenstadt rund 3.000 Antifaschist*innen, Punks, Autonome und weitere Menschen gegen rechte Gewalt.

Ein Jahr nach Frank Böttchers Tod errichteten Antifaschist*innen am Tatort einen Gedenkstein mit -tafel. Dieser wurde seitdem – ebenso wie Frank Böttchers Grabstelle – immer wieder mit rechten Parolen beschmiert und die Gedenktafel mehrfach gewaltsam entfernt. Anlässlich seines 11. Todestages benannten Antifaschist*innen 2008 eine Magdeburger Straße symbolisch in Frank-Böttcher-Straße um, auch um gegen die fehlende offizielle Anerkennung des politischen Motivs zu protestieren. Punks zogen in einem kleinen Gedenkmarsch zur Angriffsstelle und hielten eine Schweigeminute ab. Seit etlichen Jahren lädt das Bündnis gegen Rechts Magdeburg am Todestag Frank Böttchers zu Gedenkveranstaltungen am Gedenkstein ein.

 

Frank Böttcher wird von der Landesregierung seit 2009 offiziell als Todesopfer rechter Gewalt anerkannt.