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30. Dezember 1999 — 39 Jahre

Jörg Danek war 39 Jahre alt, als er am 29. Dezember 1999 von einem Trio unweit des S-Bahnhof Halle-Neustadt tödlich misshandelt wurde.

 

Wer war Jörg Danek?

Der seinem sozialen Umfeld auch aufgrund seiner Brille unter dem Spitznamen „Professor“ bekannte, geistig behinderte Jörg Danek lebte in Halle-Neustadt. Über seinen Werdegang, seine Persönlichkeit, Hobbys oder Interessen haben wir bislang keine Informationen.

 

Was ist passiert?

Die drei späteren Täter hatten sich bereits am Nachmittag getroffen: Der älteste, ein 31-jähriger Alkoholiker, hatte zuletzt wegen eines Tötungsdelikts eine mehrjährige Haftstrafe verbüßt. Der Jüngste, ein 19-jähriger Neonazi, der seinen gesamten Körper mit Nazisymbolen tätowiert hatte, war erst kurz zuvor wegen eines rassistischen Angriffs aus dem Gefängnis entlassen worden. Zu dem Trio gehörte außerdem ein 22-jähriger Rechter, der u.a. wegen Körperverletzungen vorbestraft war und unter Bewährung stand.

Als ihre Alkoholvorräte alle waren, beschlossen die Männer am Hauptbahnhof Nachschub zu besorgen. Auf dem Weg trafen sie auf Jörg Danek – der dem 22-Jährigen vom Sehen her als „behindert“ bekannt war – und machten sich über seine Begleiterin und ihren Hut lustig. Nach weiterem Bierkonsum pöbelte das Trio gegen 22 Uhr im Bahnhof herum und pinkelte in die Halle, woraufhin Beamte des Bundesgrenzschutz (BGS) sie zum Gehen aufforderten. Kurz darauf machten sie sich am Ausgang an Fahrrädern zu schaffen, sodass der 19- und 31-Jährige schließlich zur Personalienfeststellung mitgenommen wurden. Im Anschluss begleiteten BGS und Wachschutz das Trio zur S-Bahn.

Als Jörg Danek den ersten Waggon betrat, gingen sie gezielt in sein Abteil und setzten sich um ihn herum. Während der 19-Jährige ein Bier von ihm forderte, verließ ein Pärchen fluchtartig das Abteil. Jörg Danek gab ihm ein Bier aus seinem Beutel. Als er kein weiteres hatte, schlug ihm der 31-Jährige so mit der Faust ins Gesicht, dass Jörg Danek vor seinem Sitz zusammensackte. Dann trat ihn der 19-Jährige mit voller Wucht mit seinen Springerstiefeln.

Als sich ein Schaffner und zwei Sicherheitsbeamte dem Abteil näherten, ließen die Angreifer kurz von ihrem Opfer ab. Doch die Bahnbediensteten machten kehrt, da sie zuvor von ihren Kollegen am Bahnhof gewarnt worden waren, sie sollten die aggressiven Männer „besser in Ruhe lassen“. So blieb Jörg Danek seinen Angreifern hilflos ausgeliefert, die seine Brille wegschlugen und ihn daran hinderten, die S-Bahn an der nächsten Haltestelle zu verlassen.

Am S-Bahnhof Halle-Neustadt zwangen die Männer Jörg Danek, mit ihnen auszusteigen und forderten Geld von ihm. In seinem Brustbeutel befanden sich allerdings nur Papiere. Um besser zuschlagen zu können, zog der 31-Jährige seine Lederjacke aus und gab sie dem 22-Jährigen zum Halten. Dann schlug er dem 39-Jährigen so heftig ins Gesicht, dass er zu Boden ging und trat und schlug weiter auf ihn ein.

Als die Männer eine Überwachungskamera bemerkten, schleiften sie Jörg Danek die Treppe hoch aus dem Bahnhof in eine wenig beleuchtete Ecke hinter hohen Sträuchern. Als der 31-Jährige einen Anruf erhielt, stieß er Jörg Danek zu Boden. Während er mit seiner Schwester telefonierte, trat der 19-Jährige den reglos am Boden Liegenden minutenlang mit seinen Springerstiefeln heftig ins Gesicht und gegen den Oberkörper.

Schließlich durchsuchte der 22-Jährige den Schwerverletzten erneut nach Geld und fand 2,50 D-Mark in seiner Jackentasche. Nach Beendigung seines Telefonats trat der 31-Jährige noch mindestens ein Mal massiv gegen den Kopf Jörg Daneks und kommentierte „Ups, da bin ich wohl gestolpert!“. Alle drei lachten. Dann ließen sie den schwerst Verletzten in der Blutlache liegen.

An der Endhaltestelle entdeckten die Bahnbediensteten eine tellergroße Blutlache und ein Brillenglas auf dem Sitz und veranlassten eine Nachsuche an der Haltestelle, wo sie Jörg Danek und das Trio hatten aussteigen sehen. Um 0:50 Uhr wurde Jörg Danek gefunden und ins Krankenhaus gebracht. Jörg Danek starb um 2:20 Uhr an seinen schweren Kopfverletzungen.

 

Der Prozess gegen die Täter

Am 21. Juni 2000 endete die Verhandlung vor der Jugendkammer am Landgericht Halle mit hohen Haftstrafen. Der mittlerweile 32-jährige Haupttäter wurde wegen Mordes in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge zu lebenslanger Haft verurteilt und eine „besondere Schwere der Schuld“ festgestellt.

Der 19-jährige Mittäter erhielt eine Jugendstrafe von neuneinhalb Jahren, der beteiligte 22-Jährige wurde zu elf Jahren Haft verurteilt. In einer Revisionsverhandlung vor dem Landgericht Halle im Oktober 2001 wurde dem Haupttäter die „besondere Schwere der Schuld“ erneut bescheinigt.

 

Öffentliches Gedenken

Am 29. Dezember 2015 organisierte eine antifaschistische Initiative erstmals ein öffentliches Gedenken an Jörg Danek. 16 Jahre nach seinem Tod versammelten sich etwa 20 Menschen vor dem S-Bahnhof Halle Neustadt. Grafitti-Künstler gestalteten mit Sprühkreide den Schriftzug „Jörg Danek – Niemand wird vergessen! In Erinnerung an alle Todesopfer rechter Gewalt“, um den ehemaligen Tatort öffentlich sichtbar zu machen und Passant*innen auf das Schicksal Jörg Daneks aufmerksam zu machen.

 

Erst seit 2012 wird Jörg Danek durch die Landesregierung offiziell als Todesopfer rechter Gewalt anerkannt.