Rede der antifaschistischen Initiative „Würdiges Gedenken für Helmut Sackers“
29.04.2014 Halberstadt
Als die Mobile Opferberatung an uns Jugendliche und junge Erwachsene mit ihrer Kampagne „Würdiges Gedenken für alle Todesopfer rechter Gewalt“ herantrat, war den meisten die gewalttätige Dimension des Neonazismus nicht nur aus den Medien, sondern vor allem aus dem eigenen Leben und dem Freundeskreis vertraut.
Dass diese faschistische Gewalt in Halberstadt nach 1945 im Jahre 2000 wieder den Tod für einen Menschen brachte, war allerdings den wenigsten bekannt. Das liegt nicht zuletzt daran, dass es bisher keinen öffentlichen Ort des Gedenkens an Helmut Sackers gibt.
Als wir uns genauer mit Helmut Sackers und den Umständen seines Todes beschäftigten, kam uns ein Satz aus dem Essay „Empört Euch!“ von Stephan Hessel in den Sinn: „Den jungen Menschen sage ich: seht euch um, dann werdet ihr die Themen finden, für die Empörung sich lohnt.“ Dieser Satz aus der im Jahre 2011 erschienenen Schrift des mittlerweile verstorbenen französischen Resistance-Kämpfers und Überlebenden des Konzentrationslagers Buchenwald ist unserer Meinung nach beschreibend für die Situation, in der wir uns hier und heute befinden.
Denn: Helmut Sackers hat sich umgesehen und in jener Nacht vor 14 Jahren vor allem umgehört. Wie wir heute wissen, konnte er einfach nicht weghören, als aus der Nachbarwohnung die Parteihymne der NSDAP, das sogenannte „Horst Wessel Lied“ hallte. Helmut Sackers empörte sich und tat das in seiner Macht Stehende: er rief im Vertrauen auf die Rechtstaatlichkeit die Polizei. Er war also kein „Ohne-mich Typ“, er gab seine wesentliche menschliche Fähigkeit zur Empörung nicht für einen ungestörten Abend vor dem Fernseher auf.
Dieses Engagement kostete ihn das Leben, da seine Empörung auf absolute Unvernunft stieß. Eine Unvernunft, die nur ihre menschenverachtende, gewalttätige und tödliche Sprache sprechen kann und sie bis heute spricht. Diese Unvernunft heißt Faschismus und sie kann wieder mächtiger werden. Macht bekommt sie nur, wenn sie ihr übergeben wird, anstatt sich darüber zu empören.
Daher gilt es sich umso mehr darüber zu empören, dass fast die ganze Stadt 14 Jahre über diese Gewalt hinweg gesehen hat. Dass die offensichtliche politische Motivation, die hinter der abscheulichen Tat stand, verleugnet werden konnte und dass dadurch der Mensch Helmut Sackers und sein würdigendes Engagement in Vergessenheit gerieten.
Heute stehen wir hier, an dem Ort wo dieser Mann zuletzt lebte, um ihm die Würde zu geben, die ihm gebührt. Um daran zu erinnern, was fast vergessen war. Um sein Handeln anzuerkennen.
Damit ist es aber noch nicht getan, denn Helmut Sackers zu gedenken heißt auch die Courage weiter zu tragen, die er gezeigt hat. Erinnern bedeutet viel mehr als nur nicht zu vergessen. Zu erinnern meint aus den Fehlern zu lernen, um sie nicht zu wiederholen. Wir erinnern uns erst, wenn wir uns gegenseitig aufklären, uns bilden und eingreifen, anstatt wegzuschauen und wegzuhören, wenn Geschichte umgedeutet wird. Deshalb gilt es nicht nur einen Ort der Erinnerung zu schaffen, sondern auch ein Bewusstsein dafür zu etablieren, was es bedeutet an Helmut Sackers als ein Todesopfer rechter Gewalt zu erinnern.
Dabei können wir uns auch an dem orientieren, was Stephan Hessel allen am Ende seines Buches mit auf den Weg gibt. „Neues schaffen heißt Widerstand leisten. Widerstand leisten heißt Neues schaffen.“ Darum: Wider das Vergessen, würdiges Gedenken an Helmut Sackers In Halberstadt!